Original Article: Guest Post — “I Say Tom-ay-to, You Say Tom-ah-to”: Bias Against Non-Native English Speakers in Scholarly Communications

Übersetzt mit freundlicher Unterstützung von Academic Language Experts. (Translation courtesy of Academic Language Experts)

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Der heutige Gastbeitrag wurde von Kasia Repeta verfasst, Expertin für digitales Marketing bei Duke University Press und SSP-Mitglied. Zuvor arbeitete Kasia als Marketingfachfrau in Polen und der Türkei.

Ich lebe in den USA und Englisch ist nicht meine Muttersprache. Ich spreche Englisch mit Akzent – genau wie ein Drittel der Weltbevölkerung. Mindestens einmal pro Woche werde ich nach meinem Akzent gefragt, und obwohl das häufiger außerhalb der Arbeit geschieht, kommt es auch im beruflichen Umfeld vor.

Laut Ethnologue: Languages of the World, einer jährlichen Referenzpublikation, die Statistiken zu den lebenden Sprachen der Welt liefert, gilt Englisch als die am weitesten verbreitete Sprache weltweit, wenn man sowohl Native Speaker als auch Nicht-Native Speaker berücksichtigt. David Crystal geht in seinem Artikel Updates on the Statistics of English aus dem Jahr 2008 davon aus, dass zwei Milliarden Menschen – ein Drittel der Weltbevölkerung – Englisch sprechen. Diese Schätzung umfasst Sprechende, für die Englisch Erst- (L1) oder Zweitsprache (L2) ist. Selbst unter englischen Muttersprachlerinnen und Muttersprachlern gibt es unzählige Unterschiede in der Aussprache und im Vokabular, und das sowohl innerhalb als auch zwischen den Ländern. Diese Situation führt zu vielfältigen Aussprachevariationen des Englischen und zu fremdsprachlichen Akzenten, bei denen Laute, Mundposition, Satzstrukturen, Rhythmen, Intonationen und Klangauswahl aus anderen Sprachen entlehnt werden. So lassen sich Aussprachefehler auf die phonologischen und artikulatorischen Eigenschaften sowohl der gesprochenen als auch der Muttersprache zurückführen.

Shouting at a brickwall
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Englisch gilt allgemein als Lingua Franca der Wissenschaft. Das rasante Wachstum des internationalen wissenschaftlichen Publikationswesens und der internationalen Zusammenarbeit, gemessen an Mitautorenschaften, wird von der zunehmenden Anzahl von Englischsprechenden in akademischen Kreisen und darüber hinaus begünstigt. Und obwohl eine Reihe von Tools und Diensten entwickelt wurden, die Autorinnen und Autoren unterstützen, deren Muttersprache nicht Englisch ist (beispielsweise bieten alle großen Verlage eine Form von Lektorat an), wurde den Herausforderungen der L2-Sprechenden bislang nur wenig oder gar keine Aufmerksamkeit geschenkt, beispielsweise in Bezug auf deren Teilnahme an Konferenzen und anderen Fachveranstaltungen, sei es als Vortragende oder Zuhörende.

Die meisten Menschen würden sicher behaupten, niemanden aufgrund des Akzents anders zu behandeln, jedoch haben Studien zur Akzenterkennung gezeigt, dass muttersprachliche Zuhörerende „sehr empfindlich auf das Vorhandensein von nicht muttersprachlichen Akzenten reagieren“ und dass es zunehmend Hinweise darauf gibt, dass ausländische Akzente Vorurteile – positiver oder negativer Art – hervorrufen. Diese negative Voreingenommenheit betrifft nicht nur Menschen mit geringen Englischkenntnissen, sondern auch hochkompetente L2-Sprecher:innen, die Grammatik, Wortschatz und Aussprache in ihrer zweiten – oder sogar ersten – Sprache sehr gut beherrschen. Um der Diskriminierung aufgrund von Akzenten entgegenzuwirken, ist es wichtig, die damit verbundenen Vorurteile und deren Ursache zu verstehen.

Eine von der Universität Gent im Rahmen des Projekts „SocialAccent“ koordinierte Studie befasst sich damit, wie sich ein ausländischer Akzent auf die soziale Interaktion und die kognitiven Prozesse auswirkt. Dabei wird die Entstehung von Vorurteilen gegenüber nicht muttersprachlichen Akzenten analysiert. Demnach wird die soziale Voreingenommenheit gegenüber einem ausländischen Akzent dadurch verursacht, dass er „eine schnelle Kategorisierung des Sprechenden als Mitglied einer Fremdgruppe“ auslöst. Außerdem entstehen dadurch Vorurteile, dass ein fremder Akzent meist „schwieriger zu verstehen ist, wodurch die ‚Verarbeitungsflüssigkeit‘ beeinträchtigt wird“. Die negative Wahrnehmung wird also durch die Schwierigkeit verstärkt, Sprache mit ausländischem Akzent zu verarbeiten. Denn unser Gehirn bevorzugt Reize, die leicht zu verarbeiten sind. Häufig werden L2-Sprechende als weniger vertrauenswürdig, weniger gebildet, weniger intelligent und weniger kompetent als Muttersprachler:innen eingeschätzt. Der Artikel “Why Don’t We Believe Non-Native Speakers? The Influence of Accent on Credibility“ der Psycholog:innen Shiri Lev-Ari und Boaz Keysar von der University of Chicago belegt, dass Personen, die nicht in ihrer Muttersprache sprechen, nicht nur schwerer zu verstehen sind, sondern auch weniger glaubwürdig klingen. Akzente lassen Menschen an der Genauigkeit des Gesagten zweifeln und können Annahmen über das Bildungsniveau, die Kompetenz, die Intelligenz, die Vertrauenswürdigkeit und die Glaubwürdigkeit der Sprechenden hervorrufen – und sich folglich auf deren Beschäftigungsfähigkeitauswirken.

In den USA und in der EU sind die Akzente von Angestellten gesetzlich geschützt. So ist die Diskriminierung und Ungleichbehandlung von Arbeitskräften aufgrund eines fremden Akzents nach den Antidiskriminierungsgesetzen der USA illegal. Sie ist nur dann rechtmäßig, wenn der „Akzent die Fähigkeit zur Ausübung der Tätigkeit erheblich beeinträchtigt“. In Hinblick auf die EU-Rechtsvorschrift über die „Schaffung optimaler Bedingungen für Arbeitnehmerfreizügigkeit“ heißt es in einer Mitteilung der Kommission vom 11. Dezember 2002: „Manchmal können sprachliche Voraussetzungen eine Vorbedingung für den Zugang zu einer Beschäftigung sein, wenn sie sinnvoll und nützlich sind … das Erfordernis, dass es sich bei der Sprache um die ‚Muttersprache‘ handelt, ist jedoch nicht zulässig.“ Mehrere Gerichtsverfahrenbeweisen jedoch, dass die Gesetze zur Diskriminierung von Akzenten nicht ordnungsgemäß durchgesetzt werden. Während Arbeitgebererklärungen bei Stellenbeschreibungen normalerweise erwähnen, dass ein Unternehmen die berufliche Chancengleichheit fördert und nicht aufgrund von Alter, Hautfarbe, Behinderung, genetischen Informationen, Geschlecht, Geschlechtsidentität, nationaler Herkunft, Rasse, Religion, sexueller Orientierung oder Veteranenstatus usw. diskriminiert, wird ein Akzent in solchen Erklärungen nur selten erwähnt. Jedoch können sich Akzente negativ oder positiv auf die Beschäftigung, die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit, die beruflichen Aufstiegschancen, die Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit auswirken, wenn auf akzentbedingte Vorurteile und Diskriminierungen nicht entsprechend reagiert wird.

Nicht nur für Menschen, die in einer fremden Sprache kommunizieren, kann die Teilnahme an wissenschaftlichen Veranstaltungen Situations- oder Leistungsangst nach sich ziehen. Öffentlich in einer Fremdsprache zu sprechen, insbesondere wenn es sich um eine Sprache handelt, die nur gelegentlich verwendet wird, kann Ängste hervorrufen, Fehler zu machen und als weniger glaubwürdig abgestempelt zu werden. Alle akzentbezogenen Bemerkungen von L1-Sprechenden können dies noch verstärken. „Woher kommen Sie?“, „Ich höre einen Akzent, lassen Sie mich mal raten, Sie kommen aus …?“ oder „Sie hören sich an, als kämen Sie nicht von hier?“ Erstsprachler:innen halten Fragen wie diese womöglich für angemessen, um ein Gespräch mit L2-Sprechenden zu beginnen. Sie können sich jedoch negativ auf die Meta- und Selbstwahrnehmung nicht muttersprachlicher Personen auswirken. Solche Fragen sollten daher am besten vermieden werden, denn sie könnten als Signal aufgefasst werden, dass mit der Person, die eine Sprache mit Akzent spricht, etwas nicht stimmt. Das kann zur Folge haben, dass sich die Person zurückzieht, nicht mehr redet, keine Fragen stellt oder Meinungen teilt, was sich folglich negativ auf die Karriere auswirken kann. Mir persönlich bereitet es kein Unbehagen, wenn jemand ehrlich interessiert ist und im Gesprächsverlauf irgendwann nach meiner Herkunft fragt. Ich bin stolz auf meine Herkunft und kann meine Erfahrung damit teilen. Meistens finde ich diese Fragen dennoch belastend, besonders in beruflichen Situationen wie Konferenzen oder Networking-Events, und vor allem, wenn sie zu Beginn eines Gesprächs gestellt werden. Sie lassen mich daran zweifeln, ob ich in der Lage bin zu kommunizieren, ohne dabei beurteilt oder kategorisiert zu werden. Wenn L2-Sprechende aus unterschiedlichen Gründen nicht über die Ursprünge ihres Akzents sprechen möchten, sollten Muttersprachler:innen bei der Frage danach genauso rücksichtsvoll sein wie bei Fragen nach Rasse, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit und religiösen oder politischen Überzeugungen. Denn entscheidender als die dahinterstehende Intention ist es letztlich, wie es vom Gegenüber aufgefasst wird. Menschen, die wie ich einen Akzent haben und täglich in einer Fremdsprache kommunizieren, begegnen solchen Fragen viel zu oft. Wir haben nichts dagegen, uns mitzuteilen, jedoch werden Fragen wie diese häufig als einschüchternd oder verletzend empfunden, auch wenn sich viele Native Speaker dessen nicht bewusst sind.

Wie bereits erwähnt, trägt ein sprachlicher Akzent stark zu einer Einteilung in Eigen- und Fremdgruppe und zu damit verbundenen Vorurteilen bei. Menschen konstruieren ihre soziale Identität jedoch auf der Grundlage zahlreicher Variablen, und das Herkunftsland gehört möglicherweise gar nicht dazu. Wenn die eigene soziale Identität nicht mit der sozialen Identität übereinstimmt, die mit einem gesprochenen Akzent verbunden wird, wirken sich alle akzentbezogenen Bemerkungen verheerend auf die Identität des Individuums aus; denn sie zwingen die Person, sich zu erklären, können einen einschüchternden Effekt haben und das Zugehörigkeitsgefühl beeinträchtigen. Dies kann insbesondere Menschen betreffen, die schon viele Jahre außerhalb ihres Geburtslandes gelebt haben⁠ oder es in der Kindheit verließen, aber einen Akzent haben – eine Eigenschaft, die mit dem eigenen Geburtsort verbunden und daher unveränderlich ist und sich schwer vermeiden lässt.

Um die berufliche und soziale Interaktion für L1- und L2-Sprechende rücksichtsvoller, effektiver und integrativer zu gestalten, ist es wichtig, Probleme zu erkennen, mit denen beide Seiten zu kämpfen haben, und nicht muttersprachliche Akzente aus beiden Perspektiven zu beleuchten.

Tipps für L1-Sprechende:

  • Seien Sie in Bezug auf den Akzent genauso rücksichtsvoll wie bei Fragen nach Rasse, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit und religiösen oder politischen Überzeugungen
  • Üben Sie sich darin, fremdsprachige Akzente zu verstehen, indem Sie viele Gelegenheiten wahrnehmen, um mit fremden Akzenten in Kontakt zu kommen, sei es am Arbeitsplatz, bei Konferenzen oder anderen beruflichen oder gesellschaftlichen Veranstaltungen. Auch wenn die Verarbeitung von Sprache mit Akzent zunächst die kognitive Verarbeitung des Gesagten beeinträchtigt, so sorgt laut einer Studie in Frontiers in Psychology jede weitere Exposition für eine zügige Anpassung. Das bedeutet, dass Sie in der Lage sind, zu lernen, Sprache mit Akzent erfolgreich zu verarbeiten.
  • Würdigen Sie die Bemühungen Ihrer nicht muttersprachlichen Kolleginnen und Kollegen. Bei vielen Menschen können Ängste im Zusammenhang mit Akzent, der richtigen Wortwahl oder spontanen Äußerungen, unabhängig von deren Sprachkenntnissen, insbesondere im beruflichen Umfeld zu Frustrations- und Unsicherheitsgefühlen führen.

Tipps für L2-Sprechende:

  • Seien Sie sich darüber bewusst, dass Menschen kognitive Schwierigkeiten bei der Verarbeitung von nicht muttersprachlicher Sprache haben können
  • Bemühen Sie sich bewusst um eine Akzentmodifikation und/oder -reduzierung. Das ist zwar schwierig, aber indem Sie versuchen, klarer zu sprechen und die Aussprache zu üben, und somit sprachliche Barrieren abzubauen, wird die Verständigung sicherlich erleichtert.

Vor allem sollte jeder und jede von uns, der oder die im Bereich der wissenschaftlichen Kommunikation tätig ist, in der Lage sein, die eigenen akzentbezogenen Vorurteile zu erkennen und darauf zu reagieren, um eine inklusivere Erfahrung für alle Mitglieder unserer Gemeinschaft zu ermöglichen.

Kasia Repeta

Kasia Repeta is Analyst for Global Outreach and Publishing Systems at Duke University Press. She is a member of the SSP Diversity, Equity, Inclusion, and Accessibility Committee and leads the work of the SSP’s DEIA Accessibility Subcommittee. She is also a co-chair for the Disability and Accessibility Working Group at Duke University Press.

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